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Curating the world artfully

LARRY ÀLVAREZ zu Besuch bei der

Inselregierung von Gran Canaria

aus Ausgabe Nr. 34

In unmittelbarer Nähe der beliebten Einkaufsstraße c/Triana in Las Palmas befindet sich der Sitz der Inselregierung von Gran Canaria. In diesem architektonisch modernen Gebäude empfing uns am 4. April Larry Álvarez, Minister für Kultur, Geschichte und Museen. Gediegen ist die Atmosphäre im Inneren und im Foyer lassen einige interessante Kunstwerke kanarischer Künstler wie z. B. von Tony Gallardo erahnen, dass hier die administrative Hochburg des kanarischen Kulturguts untergebracht ist.

Uns begrüßt der weltoffene und charmante Chef in seinem geräumigen Büro und obwohl der Terminkalender zum Bersten voll ist, schenkt uns Álvarez eineinhalb Stunden seiner Zeit. Es sollte ein interessantes Gespräch mit dem vierfachen Familienvater folgen, ein Dialog und nicht eine Frage-Antwort-Stunde.

 

KOMMUNIKATION

Wir lernten seinen scharfen Verstand, seine visionären und teils innovativen Ideen kennen. Vielleicht inspirierte ihn die eine oder andere Reise nach Wien, Prag oder Budapest. Bevor Álvarez im Juni 2011 seine Funktion in der Inselregierung von Gran Canaria übernahm, war er Journalist. Dadurch hat er eine besondere Sichtweise auf die Rolle der Presse, die er als „fundamental“ bezeichnet – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Informationsweitergabe. Seine einschlägige Berufserfahrung und Einstellung gegenüber der Presse formuliert Álvarez mit folgenden markanten Worten: „Was man nicht kommuniziert, das existiert nicht“.

 

TOURISMUS UND KULTUR SIND "EIN PAAR"

Die Kanaren haben viel mehr zu bieten als „nur“ Strand und Sonne. Tourismus und Kultur sind ein „Paar“ und können nur miteinander bestehen. Viele Beispiele lassen sich dafür finden. Wer denkt bei Florenz nicht automatisch an Michelangelos David? Was wäre London ohne den Tower, New York ohne das Guggenheim Museum oder Barcelona ohne die beeindruckende Kathedrale? Auch die Kanaren verfügen über beachtliches Kulturgut. So ist eines seiner Ziele, dass Reiseveranstalter bei ihren „Urlaubspaketen“ Kultur mit aufnehmen. Zum Beispiel könnte so ein Arrangement zusätzlich zu Übernachtungen und Verpflegungen auch einen Museums- oder Konzertbesuch enthalten

 

VIELE "GEHEIME KULTURZENTREN" ZUM ENTDECKEN

Eines der meistbesuchten Kulturzentren und der absolute Touristenmagnet ist nach wie vor die Casa de Colón (dt. Kolumbushaus) in Las Palmas de Gran Canaria, wie wir erfahren. Doch es gibt eine Reihe von anderen interessanten Kunst- und Kulturzentren, die bisher noch relativ unbekannt sind, nichtsdestotrotz, nicht minder sehenswert. Ein absolutes Muss ist die „Kulturroute Vegueta“ durch die Altstadt, die zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt führt (Anm.: Die Stadttouren werden wir gesondert präsentieren). Es ist auch wenig bekannt, dass es auf den Kanaren tausende von archäologischen Fundstellen gibt, die teils nicht ausführlich dokumentiert sind. Man kann zwar nicht alle davon besuchen, aber viele. Für Álvarez ist Kultur eine Mischung aus Kreativität, Talent und Inspiration.

 

KULTUR KOSTET GELD

Überall auf der Welt ist es selbstverständlich, beim Besuch von Kulturstätten zu bezahlen, und diese Strategie verfolgt Herr Álvarez auch auf Gran Canaria - „no gratis y no deficitaria“ (dt. nicht kostenlos und auch nicht defizitär).

Die (enormen) Kosten für die Erhaltung, die Wartung und den Betrieb für Besucher müssen schließlich gedeckt werden, damit sich die Kultur selbst erhalten kann. Diese ist komplexer als es einem Aussenstehenden erscheinen mag und das erläutert uns Álvarez anhand eines Konzerts als Beispiel. Natürlich fallen die Kosten für die Musiker an aber da gibt es noch eine riesige Maschinerie dahinter. Die Musikinstrumente müssen gestimmt und transportiert werden. Andere kümmern sich um die Verwaltungsaufgaben wie Personalangelegenheiten, Vermarktung etc. Dazu gibt es ein Sicherheitsteam und natürlich auch eine Reinigungstruppe.

 

RECHT AUF KULTUR FÜR ALLE

Gleichzeitig soll nach seiner Auffassung Kultur jedem zugänglich sein, und daher dürfen die Preise keine Barriere darstellen. Diesem Spagat zwischen Selbstfinanzierung und allgemein zugänglicher Kultur wurde in der neuen Preisgestaltung, die in vielen Museen seit Anfang diesen Jahres gilt, nachgekommen.

Das bedeutet, dass der Besuch der Zentren zwar nicht (mehr) gratis ist, aber im Vergleich zu ähnlichen Einrichtungen auf dem Festland oder dem restlichen Europa sind die Preise mehr als moderat. Sie liegen zwischen einem und fünf Euro. Sozial Schwache, kinderreiche Familien, Jugendliche oder Senioren zahlen noch weniger. Manchmal ist der Peis fast schon symbolisch zu verstehen.

Natürlich ist es schwierig, alle Bedürfnisse zufriedenzustellen. Da gibt es jene, die einen Museumsbesuch mit einer geführten Tour bevorzugen und andere Individualisten, die sich unter Umständen vom „Geplapper“ einer Gruppe gestört fühlen könnten.

Diesen unterschiedlichen Ansprüchen versucht man mit einer ausgewogenen Mischung gerecht zu werden. So finden Führungen nach einem festgelegten Zeitplan statt.An einigen Tagen im Jahr (siehe Aufstellung) öffnen die Kulturzentren kostenlos ihre Pforten. Geplant sind auch „Noches de Museo“, wo die Museen nachts besucht werden können.

Per Definition umfasst Kultur alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, sei es geistiger Natur (Brauchtum, Recht, Religion etc.) bis hin zur Formgebung, wie es z. B. in der Kunst, der Architektur oder beim Handwerk der Fall ist. Eine wichtige Aufgabe sieht Herr Álvarez in der Erhaltung dieses Kulturguts, und daher gibt es einen sogenannten „Plan de Mantenimiento“. Gemäß diesem kontrolliert und wartet ein Dienstleister die Kulturstätten.

 

TURISMO MÀS CULTURA

„Kaputte Schilder müssen ausgetauscht werden, auch wenn es in Zeiten der Krise schwer ist.

In Kultur zu investieren, ist von enormer Bedeutung“, erklärt der Minister und erläutert, wieso. „Schließlich fließt dieses Investment über den Tourismus wieder zurück. Auf lange Sicht muss man sich um Alternativen bemühen und mehr als Sonne und Strand bieten, und so profitiert durch die Kultur auch der Tourismus.

Wenn Gäste auf eine kulturelle Erkundungstour gehen, dann ist es häufig so, dass sie die eine oder andere Pause in einem netten Café oder Restaurant einlegen. All das kommt der Gesellschaft wieder zugute.

Diesem Motto entsprechend setzt man besonders in Las Palmas seit geraumer Zeit auf entsprechende Maßnahmen. So werden spezielle „Altstadt-Touren“ ausgearbeitet, Routen für die Kreuzfahrer mit speziellen Preisen angeboten u.v.m.

 

INFORMATIONS-AUFBEREITUNG

Ein anderer wesentlicher Bereich ist die Informationsaufbereitung. Es gibt tausende von archäologischen Fundstellen und manche davon können auch besichtigt werden. Leider ist nur ein Teil bisher ausreichend dokumentiert und mit Informationen versehen. Womit wieder sein Zitat „alles, was nicht kommuniziert wird, existiert nicht“, zum Tragen kommt.

Herr Álvarez hat dabei einen sehr hohen Anspruch. So werden die neuen Beschilderungen professionell und durch jeweilige Muttersprachler in die entsprechenden Sprachen übersetzt, damit die „Seele des Kulturguts“ erhalten bleibt.Die Informationen müssen dort sein, wo sich die Kulturstätten befinden und wenn nötig sogar unter Wasser. Ja, die Unterwasserwelt der Kanaren ist sensationell, und es gibt neben den spektakulären natürlichen Sehenswürdigkeiten auch historisch bedingte „künstliche“ Kulturgüter wie z. B. unzählige Schiffswracks (Wir berichteten in Ausgabe 30). So arbeitet man derzeit an einer Beschilderung unter Wasser. Ein auf einem großen Steinblock angebrachter rostfreier Stahl mit Erläuterungen wird versenkt, und so können Taucher vor Ort in Erfahrung bringen, was sie gerade sehen.

 

BEWUSSTSEINSBILDUNG

Genauso wichtig wie direkte Maßnahmen ist die Schaffung eines Bewusstseins in der Bevölkerung. Es kann nicht ein Mensch alleine für die Erhaltung eines Kulturguts zuständig sein. Das funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Menschen müssen den Wert verstehen und lernen, ihn zu respektieren. Dann fallen die Kulturgüter auch nicht Vandalismus zum Opfer.

Gleiches gilt für die Umwelt. Die Natur kann nur dann für alle schön bleiben, wenn jeder ein bisschen mitarbeitet, und das fängt bei der Sauberkeit an.

Viele weitere Ideen liegen Herrn Álvarez noch auf dem Herzen, doch die Zeit ist wie im Flug vergangen und der nächste Termin wartet schon. Wir hoffen, dass wir bei einer anderen Gelegenheit über seine nächsten innovativen Projekte berichten dürfen und danken für das Gespräch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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